Warum sind die Betreuungszeiten so unflexibel?

Kurz und Knapp

  • Es gibt kein Betreuungssystem, das allen möglichen Lebenssituationen von Familien gerecht werden kann.
  • Es gibt strukturelle, organisatorische und pädagogische Grenzen für die Betreuungsflexibilität.
  • Veränderungen in den personellen Rahmenbedingungen, der Arbeitsorganisation von Kitas oder der individuellen Lebensgestaltung können hilfreich sein.

Das Familienleben mit kleinen Kindern ist alles andere als einfach: die Berufstätigkeit stellt hohe Anforderungen an uns, die Kinder wollen betreut und gefördert werden, der Haushalt muss erledigt werden und dann noch unplanmäßige Ereignisse wie zum Beispiel Krankheiten. Nicht wenige Eltern nehmen die Betreuungszeiten in Grevens Kindertageseinrichtungen als zu unflexibel wahr. Aber warum ändert sich das nicht einfach?

Betreuungszeiten

In Greven können Eltern eine Betreuungszeit zwischen 25, 35 oder 45 Stunden pro Woche in einer Kindertageseinrichtung buchen. Bei jeder 45-Stundenbuchung bzw. bei 35-Stundenbuchungen im Block erhalten die Kinder ein Mittagessen in der Kita. Für jede Stundenbuchung gibt es dabei bestimmte Betreuungszeiträume, die sich von Kita zu Kita etwas unterscheiden können:

Stundenblöcke in Greven

Stundenbuchung

Betreuungszeitraum (beispielhaft)

Mittagessen in der Kita

25h

7:30 - 12:30 Uhr

Nein

35h (geteilt)

7:30 - 12:30 Uhr und

14:00 - 16:00 Uhr

Nein

35h (im Block)

8:00 - 15:00 Uhr

Ja

45h

7:30 - 16:30 Uhr

Ja

Jede Kindertageseinrichtung hat dabei auf die Bedürfnisse der Eltern einzugehen. Deshalb führen Kitas jährlich eine sog. Bedarfsabfrage durch, um den Betreuungsbedarf von Eltern zu ermitteln. Wenn die meisten Eltern z. B. eher eine frühe anstelle einer späten Betreuung benötigen, sollten Kitas überlegen, ob sie ihre Betreuungzeiträume nicht etwas anpassen.

Zwar genügen vielen Familien diese "normalen" Öffnungszeiten von Kitas. Doch manchen Eltern passen eben genau diese Betreuungszeiten nicht so ganz. Häufig betrifft dies die sog. Randzeiten: einige Eltern brauchen möglichst früh morgens (z. B. ab 6:30 Uhr) schon eine Betreuung, andere Eltern brauchen eher bis zum Abend (z. B. 18:00 Uhr) oder im Fall von Nacht- und Schichtarbeitern sogar über die Nacht eine Betreuung. Wie unterschiedlich die Lebensituationen von Eltern sind, ist uns dabei häufig gar nicht bewusst.

Lebenssituationen von Familien

In Deutschland hat grundsätzlich jede Familie das Grundrecht, sich frei zu entfalten und ihr Leben selbst zu gestalten. Es gibt daher auch nicht die Eltern oder die klassische Familie, sondern eine Vielzahl an Lebenssituationen bzw. Lebensmodellen, die sich unterscheiden:

Unterscheidungsmerkmale von Lebensmodellen
Merkmal und Beispiele Zahlen und Fakten

Erwerbsstätigkeit

Vollzeit oder Teilzeit

Nacht- oder Schichtdienst

Reise- oder Auswärtstätigkeit

72% der Mütter und 93% der Väter sind im Kindesalter 3-5 Jahre berufstätig.

In 54% (verheiratet) bzw. 72% (unverheiratet) der Familien arbeitet der Vater Vollzeit und die Mutter Teilzeit.

vgl. Statistisches Bundesamt 2018: Datenreport 2018, S. 63ff.

Soziale Unterstützung

Großeltern vor Ort

Familie und Freunde

Individuelle Wünsche

"Mein Kind soll zuhause essen."

"Mein Kind soll bis mittags zuhause sein."

Besondere Lebensumstände

Alleinerziehende

Kinder mit Behinderung

Pflegebedürftige Familienmitglieder

Arbeitslosigkeit

...

Alleinerziehende bilden 19% der Familien.

Die Mütter sind in 9 von 10 Fällen die Alleinerziehenden.

vgl. Statistisches Bundesamt 2018: Datenreport 2018, S. 55 und S. 59

Politik, Verwaltung und Kindertageseinrichtungen fällt es keinesfalls leicht, dieser Unterschiedlichkeit gerecht zu werden. Die personelle Ausstattung von Kindertageseinrichtungen kann im Normalfall niemals 24 Stunden vollständig abdecken, so viele ErzieherInnen und so viele Finanzmittel stehen uns nicht zur Verfügung. Im Rahmen der finanziellen und personellen Möglichkeiten muss man also zwangsläufig Kompromisse machen. Das Blocksystem der Betreuungszeiten in Greven stellt einen derartigen Kompromiss dar. Es gibt aber noch weitere Gründe dafür, warum die Flexibilität der Kinderbetreuung Grenzen hat.

Gründe für fehlende Flexibilität

Es gibt pädagogische, strukturelle und organisatorische Gründe dafür, dass die Flexibilität der Kinderbetreuung Grenzen hat. Die pädagogischen Gründe (Kernbetreuungszeiten) sind unabdingbar für den gesellschaftlichen Auftrag von Kitas: frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE). Hingegen kann man bei den strukturellen (baulich-räumliche Begrenzungen) und organisatorischen Gründen (Schließungstage, Personal- und Dienstplanung) durchaus schauen, ob es nicht in einzelnen Fällen noch Verbesserungspotentiale gibt:

  • Kernbetreuungszeiten: Es muss Kernbetreuungszeiten (z. B. 9:00-12:30 Uhr) in Kindertageseinrichtungen geben, in denen alle Kinder einer Kita da sind, um gemeinschaftliche Aktivitäten wie zum Beispiel Morgenkreise, Ausflüge, Feste, Fördermaßnahmen oder Projekte durchführen zu können. Wenn andauernd Kinder abgeholt bzw. gebracht werden, herrscht ständige Unruhe in der Kita. Mehr noch: unter Umständen haben die Kinder noch nicht einmal die Gelegenheit, sich als gemeinsame Gruppe zu verstehen, weil sie keine gemeinsamen Rituale und Aktivitäten haben.

  • Baulich-räumliche Begrenzungen: Einige Kindertageseinrichtungen können die Anzahl an Übermittagplätzen (35h Block/ 45h) mit Mittagessen nicht unbegrenzt erhöhen. Das liegt daran, dass die meisten Einrichtungen im Westen Deutschlands baulich nie darauf ausgelegt waren, Kinder über die Mittagszeit hinaus zu betreuen und somit Mittagessen und geeignete Schlafräume anzubieten. Daher haben die älteren Kitas in Greven im Gegensatz zu Kita-Neubauten weder gesonderte Essenssäle noch Schlafräume. Stattdessen essen/schlafen die Kinder dort in Kleingruppen (z. B. 5 bis 8 Kinder) in unterschiedlichen Räumen zusammen mit einer Erziehungskraft, während in Neubauten eine Erziehungskraft mehr Kinder gleichzeitigt beaufsichtigen kann.

  • Schließungstage: Laut Kinderbildungsgesetz (§13e KiBiz) sollen Kindertageseinrichtungen nicht mehr als 20 Tage bzw. dürfen nicht mehr als 30 Tage im Jahr schließen. Schließungstage sind für Eltern nicht immer leicht zu hinzunehmen. Doch auch das Personal in Kitas hat wie jeder von uns das Recht auf Erholungsurlaub mit der eigenen Familie, und zwar auch zu den typischen Ferienzeiten. Es ist jedoch die Frage zu stellen, ob sich eine hohe Anzahl an Schließungstagen durch eine bessere und vorausschauende Arbeitsorganisation reduzieren ließe. Auch sollte gemeinsam mit der Elternschaft besprochen werden, wann die Schließungstage sein sollen.

  • Personal- und Dienstplanung: Für Kita-Leitungen ist es sehr wichtig, den Personalbedarf vorausschauend planen können. Denn es sollten idealerweise so viele Erzieherinnen und Erzieher vorgehalten werden, dass eine qualitativ gute Kinderbetreuung gewährleistet werden kann. Da das Personal in Kitas eng bemessen ist, will man unbedingt Unterkapazitäten (Wenig ErzieherInnen - Viele Kinder) aber auch Überkapazitäten (Viele ErzieherInnen - Wenig Kinder) vermeiden. Aus diesem Grund müssen Kitas optimal einschätzen können, wann wie viele Kinder da sind.

Was können wir also tun?

Man kann sehen, dass die Flexibilität der Kinderbetreuung Grenzen hat. Als Eltern können wir jedoch prüfen, ob sich diese Grenzen nicht ein wenig verschieben lassen. Zunächst einmal könnte man als Elternbeirat den Dialog mit der Kindertageseinrichtung suchen und regelmäßig schauen:

  • Welchen Betreuungsbedarf haben die Eltern in unserer Kita tatsächlich?
  • Könnten baulich-räumliche Erweiterungen (z. B. Essens- und Schlafräume) dem Bedarf besser gerecht werden?
  • Welche Kernbetreuungszeiten passen zum Betreuungsbedarf?
  • Lässt sich die Anzahl an Schließungstagen durch bessere Arbeitsorganisation und Dienstplanung reduzieren?

Auch könnten wir uns an die Landespolitik wenden, um eine gesetzliche Veränderung der personellen und finanziellen Rahmenbedingungen von Kitas politisch einzufordern, also eine Anpassung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz). Der Nebeneffekt hiervon wäre allerdings, dass die entstehenden Mehrkosten durch z. B. eine Erhöhung von Steuern, Beiträgen und Abgaben aufgefangen werden müssten.

Schließlich haben wir als Eltern aber auch die Pflicht, unser eigenes Lebensmodell kritisch zu hinterfragen. Manchmal sehen wir womöglich gar nicht unsere eigenen Möglichkeiten zu etwas mehr Flexibilität:

  • Können wir Familienmitglieder bzw. Freunde beim Bringen oder Abholen der Kinder einbinden?
  • Können wir mit anderen Eltern aus der Kindergartengruppe abwechselnde Fahrdienste und Spielnachmittage organisieren?
  • Können wir unsere Arbeitszeiten anpassen (Teilzeit, Home Office, Sabbatical etc.) oder sogar unsere berufliche Tätigkeit wechseln, um in dieser anstrengenden Lebensphase nicht völlig überfordert zu werden?